Selbstkompetenz durch Schöpfertum


Bezirksmuseum Hellersdorf-Marzahn
& Johann Strauß Grundschule Berlin
Klassen 4-6

gefördert durch
Dr.-Ing.-Hans-Joachim-Lenz-Stiftung Mainz

2018-2020

Die musikbetonte Johann-Strauß-Grundschule in Hellersdorf-Marzahn ermöglichte ihren Schüler*innen in einer mehrjährigen Projektreihe mit klangexpander die Beschäftigung mit den komplexen Prinzipien graphischer und skulpturaler Notationen. In Form einzelner Projektwochen konnten die Kinder mehrerer Klassen die künstlerisch geleitete visuell-auditive Übersetzungspraxis erforschen - im ersten Jahr (4. oder 5. Klassenstufe) in bildnerischer und im darauffolgenden Jahr (5. oder 6. Klassenstufe) in skulpturaler Weise. In diesem Kontext wurde ein besonderes Augenmerk auf das interaktive und selbstermächtigende Potential der Projektreihe gelegt.


Der zweijährige Zyklus

Aus Alltagsgegenständen hergestelltes Klang-Instrumentarium und einfache Instrumente sowie Stimme, Körper und Raum dienen hier als Klangerzeuger. Durch das Erkunden der facettenreiche Klangqualitäten der Gegenstände und die anschließenden gezielten Gruppenübungen damit öffnen wir die sinnlichen Räume des Lauschens und Empfindens. Mithilfe von Klangspielen führen wir in die musikalische Interaktion und Improvisation ein. Die Wahrnehmung der Kinder wird für die unterschiedlichen Qualitäten und Feinheiten von Klängen sensibilisiert, ihre Lust am Experimentieren geweckt und sie erschließen sich neue Phantasieräume.

Auf diese Weise musikalisch vorbereitet, lernen die Kinder im ersten Schritt die Übersetzung eines Klangs in Farbe und Form sowie die Umkehrung dieses Prozesses kennen. Nach und nach werden graphische Parameter wie Intensität, Verlauf, Anordnung, Struktur etc. vorgestellt, auf ihre Spezifika hin untersucht und musikalisch interpretiert. Es entstehen erste Graphiken und Collagen, anhand derer Übertragungen in Klang und Musik ausprobiert und variiert werden. Später bilden sich kleine Ensembles, die jeweils ihre eigene graphische Partitur und deren musikalische Interpretation entwickeln, proben und schließlich gemeinsam zur Aufführung bringen.

Die Arbeit mit skulpturalen Formen innerhalb der zweiten Projektwoche im darauffolgenden Jahr erfordere erneut eine bewusste kognitive wie sinnliche Auseinandersetzung, diesmal mit Klang, Raum und mehrdimensionaler Materialität. Die konkrete Beschaffenheit von Materialien, ihre Ausdehnung, ihre Härte und ihre Binnenstruktur sind wesentliche strukturelle und haptische Merkmale der unter dem Einfluss der musikalischen Praxis entstehenden Skulpturen. Die Erfahrungen der Kinder beim Entwickeln der skulpturalen Formen wirken dabei auf die Gestalt ihrer musikalischen Interpretationen zurück. Besonders beim Bau der Skulpturen ist zudem eine gute Kooperation der Schüler*innen untereinander unerlässlich, da der Bambus aufgrund seiner Fragilität nur gemeischaftlich "zum Stehen" gebracht werden kann.


Methodische Ansätze

Durch den spezifischen musikalisch-künstlerischen Brückenschlag in der graphischen Notationspraxis lassen sich improvisatorische und kompositorische Grundprinzipien ganz unmittelbar einführen und erklären. Diese durch bildnerische Elemente deutlich darstellbare Grundprinzipien werden sodann in vielerlei Variationen musikalisch ausgelotet. Hohe spitze Töne etwa lassen sich durch pointierte und kantige Formen verbildlichen, dunkle tiefe Klänge mithilfe weicher Flächen und Materialien, symmetrische oder wiederkehrende Rhythmen können durch entsprechend gespiegelte oder repetitive graphische Zeichenfolgen dargestellt werden sowie schnell wechselnde, undifferenzierte Rhythmen durch komplexe Strukturen.

Der wechselseitige Transfer zwischen Musik (bzw. Klang) und Bild (bzw. Skulptur) erfordert von Seiten der Kinder eine hohe Konzentration und innere Beteiligung. Er fördert sowohl ihre sinnlichen und emotionalen, als auch ihre kognitiven Fähigkeiten in besonderem Maße. Er schult das musikalische und bildnerische Vorstellungsvermögen und verlangt bzw. fördert und erweitert ihre Abstraktionsfähigkeit. Im Kontrast zu den aktuellen Tendenzen unseres stark technologiebasierten Zeitalters, sich vorgefertigter Settings zu bedienen, bietet diese Projektreihe Kindern die konkrete und lebendige Auseinandersetzung mit einfachen Materialien und grundlegenden Prinzipien, die daher ein umso höheres Maß an Eigeninitiative und Schöpferkraft erfordert. Durch die Ensemblearbeit, das gemeinsame Entwickeln von Partituren und skulpturalen Bambus-Konstruktionen wird für die Schüler*innen ganz direkt erfahrbar, wie wichtig der respektvolle Umgang miteinander und die Aufmerksamkeit füreinander ist, um gemeinsam etwas Überzeugendes hervorzubringen.